Braun SK 1 / SK 2
Das Kommissbrot

Das ist so eine Sache mit dem Neuen im Design. Etwas absolut Neues würden wir gar nicht erkennen, so lange nicht etwas schon Bekanntes uns helfen würde, dieses Neue zu identifizieren.

Als Braun in den 1950er Jahren das SK1 präsentierte, da war dies sicherlich eine Neuheit auf dem deutschen Markt der Rundfunkempfänger. Es war nach wie vor eine Kiste. Es war aber kleiner als die zu der damaligen Zeit noch vorherrschenden Barockschränke und Volksempfänger. Anstatt mit Holz, Bakelit und Textil wurde das SK1 aus lackiertem Kunststoff mit einer industriell perforierten Front gefertigt und in einem für damalige Verhältnisse durchaus reduzierten ‚Interface’ von einer Wählscheibe plus zwei Knöpfen (für An/Aus, Lautstärke und AM/FM) geliefert.

Im Volksmund bekam das SK1 schnell den Spitznamen „Kommissbrot“. Auf Grund der Sehgewohnheiten der Zeit erinnerte es die Menschen an das Brot aus Wehrmachtszeiten.

Nun mag Brauns Kommissbrot das „Neue Deutsche Design“ eingeleitet haben und in der Nachfolge durch die Zusammenarbeit mit Designern der Hochschule für Gestaltung in Ulm zur sogenannten „Guten Form“ beigetragen haben. Nur – da gab es schon zehn Jahre vorher ein Radio aus den USA von Emerson, das zwar nicht exakt dieselbe Materialität hatte, aber von der Anmutung dem SK1 sehr ähnlich war.

Wenn man die heutige Diskussion über den Einfluss von Braun auf das Produktdesign der Firma Apple verfolgt, so kann man den Eindruck bekommen, als ob die Firmen von einander kopieren. Falls das jemanden aufregen sollte, so darf ich Sie beruhigen – dem ist nicht so!

Neue Materialien, Fertigungsmethoden und Anwendungen mögen zu neuen Ergebnissen führen. Nichtsdestotrotz, wenn man etwas – die Technologie – unterzubringen und zu verpacken hat, so ist die Form einer rechtwinkligen Kiste oftmals eine pragmatische Lösung. Von daher haben die Radios von Emerson über Braun bis zum Tivoli und natürlich auch einige der Apple-Produkte einiges gemeinsam. Außerdem bietet sich im analogen Bereich eine runde Wählscheibe als Interface zwingend an – während der digitale Bereich das Rechteck bevorzugt.

Das SK1 bzw. SK2 von Braun stellte sicherlich etwas ‚Neues’ zu seiner Zeit und in seinem Markt dar. In diesem Zusammenhang sei auf einen von Braun damals propagierten Beweggrund für die Gestaltung hingewiesen: „Gute Form gesellt sich gern.“ – Das Leben in einer durchgestalteten Umgebung, in der sich die Dinge angeblich zurücknehmen, genehmigt dem Bewohner nicht unbedingt die Freiheiten, die das Design verspricht. Wer schon einmal in einer Umgebung von ‚gut’ gestalteten Accessoires gelebt hat, weiß auch um den Zwang sich entsprechend zu benehmen – ‚Schräg’ is out!

Chapter in “Living Accessories”
Thomas S. Bley, 2010